Schon der Name verrät es: Dieser Roman spielt in Indien. Jai, der Hauptprotagonist, ist ein neunjähriger Junge. Er lebt mit seiner Familie in einem Viertel am Rande einer großen Stadt. Man könnte sagen, dass seine Lebensumstände prekär sind, dass Armut und Polizeiwillkür das Leben der Menschen dort regieren.
Aber Jai interessiert das nicht. Ihn interessieren Polizeiserien im Fernsehen und seine beiden Freunde. Da ist zum einen Faiz, der schon früh arbeitet und deshalb immer wieder in der Schule fehlt. Da ist Pari, die Kluge von den dreien, die gerne lernt und die für sich Pläne hat, es einmal besser haben zu wollen. Außerdem ist da noch Jais ältere Schwester, die mit eiserner Disziplin ihr Ziel verfolgt, Profisportlerin werden zu wollen.
Eines Tages verschwinden die ersten Kinder aus der Nachbarschaft. Die Polizei ist unwillig und korrupt, die Politik weit weg. Während die Familien in ihrer Trauer und Verzweiflung versinken, scheint niemand etwas unternehmen zu wollen. Da beschließen die drei Freunde, dem Verbleib der verschwundenen Kinder selber auf die Spur zu kommen.
Neben der Geschichte um drei Freunde hat bei mir sofort eine erzählerische Besonderheit verfangen. Wie magische Beschwörungen sind mehrere kleine Texte eingestreut, die die Überschrift „Diese Geschichte wird dir das Leben retten“ tragen. Im Ton einer Geisterbeschwörung wird von der Welt der Straßenkindern erzählt, von der allumfassenden Armut, von der allgegenwärtigen Gewalt. Aber auch von Dschinns und märchenhaften Palästen, es duftet, schillert und strahlt, wunderschöne Geschichten, die von der Brutalität des Alltags ablenken. Bei diesen poetischen Kleinoden möchte ich verweilen, so sehr rühren sie an mein Herz.
Im Kern erzählt der Roman eine wahre Geschichte, die Geschichte vom Verschwinden mehrerer Kinder aus einem Stadtteil. Religiöse und politischen Spannungen drohen sich an diesem Fall zu entzünden. Da werden schnell Schuldige benannt, wer anders glaubt oder anders aussieht, wird schon auch fremde Kinder stehlen. Von offizieller Seite hält man sich dezent zurück.
Inmitten dieser Gemengelage befinden sich Jai und seine Freunde, gänzlich unbeeindruckt von etwaigen Religionszugehörigkeiten oder sonstigen Einstellungen. Sie wollen nur die Kinder wiederfinden und nehmen dabei allerhand Gefahren auf sich.
Deepa Anappara nimmt uns mit in ihr Indien. Wir sind mittendrin, auf dem Basar, zuhause bei den Familien, bei politischen Streitigkeiten oder religiösen Zeremonien, wir tauchen ein in den Alltag, Nachbarn, Verwandte, Läden, Essen, Trinken, alles da.
„Die Detektive vom Bhoot-Basar“ ist ein Wimmelroman, es passiert so viel gleichzeitig, man wird förmlich überwältigt von Gerüchen, Geräuschen und vielen Menschen. Sofort hatte ich Bilder im Kopf wie in einem großen Film, kein Bollywood, eher von dokumentarischer Klarheit.
Inmitten von alldem sind Jai und seine Freunde. Was sie alles auf sich nehmen und wen sie alles treffen, um herauszufinden, wohin die anderen Kinder verschwunden sind. Mich hat ihre unheimliche Fahrt mit dem Zug in die ferne Großstadt beeindruckt, die Gefährlichkeit eines Bahnhofs, die Sicht von Kindern, die dort leben, Gefahren lauern überall, verschwunden ist man schnell und nicht viele scheren sich um Kinder, die nicht mehr auftauchen.
Jai und seine Freunde sind etwas ganz Besonderes. Es sind ihr Lachen, ihre Streitigkeiten, ihre Beharrlichkeit und ihr Mut, die das Buch zum Leuchten bringen und die mich fast die schwierigen Umstände, in denen sie leben, vergessen ließen. Dass sie keine Superhelden sind, sondern Kinder, die ihren Ideen folgen, macht sie zu glaubwürdigen Helden des Alltags. Ihnen wäre ich überall hin gefolgt.
„Die Detektive vom Bhoot-Basar“ ist einfach in jeder Hinsicht ein wahnsinnig tolles Buch.