Blog-Layout

Robert Littell: Philby

Portrait des Spions als junger Mann

So sollten Spionagethriller eigentlich immer sein!

Das schillernde Leben des berühmten Doppelagenten Harold Adrian Russell „Kim“ Philby hat immer schon die Phantasien vieler Romanciers angeregt. John le Carrés Spionagethriller „König, Bube, Ass, Spion“ ist wohl der berühmteste seiner Art, in dem der Fall Philby ganz eindringlich behandelt wird. Der Autor Robert Littell hat schon in seinem Werk „The Company“ Philby als wichtige Nebenfigur auftauchen lassen. Jetzt hat er ihm ein ganzes Buch gewidmet. 


Was für eine Geschichte: Ein junger Brite aus reichem Haus, Sohn eines Diplomaten, begeistert sich in seiner Jugend, den frühen 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, für den Kommunismus. Er wird Mitglied der Kommunistischen Partei, lässt sich vom sowjetische Geheimdienst NKDW als Agent anwerben, arbeitet als Reporter, erlebt den Bürgerkrieg in Spanien getarnt als Francotreuer Berichterstatter der Times, wird während des zweiten Weltkriegs in Flandern an der Maginot-Linie verwundet, kommt zurück nach Großbritannien, wird schließlich vom MI6 als britischer Agent angeworben, wird Verbindungsoffizier in den USA, hilft die CIA aufzubauen, wird fast enttarnt, deshalb in den Ruhestand versetzt, wird Berichterstatter in Beirut, von wo aus er 1963 nach Moskau flüchtet, als ihm eine endgültige Enttarnung droht.


Das Buch von Robert Littell unterscheidet sich sehr von den üblichen Spionagethrillern. Littell erzählt nicht einfach eine Geschichte, sondern lässt jede Menge unterschiedliche Protagonisten zu Wort kommen, teils in dokumentarischer Strenge, protokollhaft, dann wieder in romanhafter Freiheit. Es werden viele authentische Anekdoten miteinander verwoben, gleichzeitig sind alle agierenden Personen historisch überprüfbar. Man erhält schaudernd Einblicke in die Katakomben der russischen Staatssicherheit, begegnet Stalin persönlich und lernt das Fürchten angesichts von Willkür und Doppelbödigkeit. 


Littell versucht in seinem „Porträt des Spions als junger Mann“ eine Annäherung an die schillernde Person Kim Philby. War er ein russischer Spion? Oder doch britischer Agent? Oder beides? Gleichzeitig?  


Wollen Sie sich schwindelig lesen?

Denn Littell entwickelt noch eine dritte Deutung, die so verblüffend wie einleuchtend ist. 

Für alle Freunde von Spionagegeschichten und von europäischer Geschichte ist dieses Buch ein absolutes Muss. 


Alle anderen Leser werden plötzlich anfangen, sich für Spionagegeschichten und europäische Geschichte zu interessieren. Versprochen. Ein großes Ding!




Robert Littell: Philby

Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence

Arche Verlag 2012, 320 Seiten

Schreibe einen Kommentar

1. Februar 2022
Zach Wells nimmt uns mit zu seinen Exkursionen: Er ist Paläobiologe und erforscht anhand alter Knochen in Höhlen das Vorkommen früherer Vögel in der Gegend. Er lehrt an der Universität, seine Frau hat es als Dichterin zu einiger Bekanntheit gebracht. Die Ehe ist stabil, ohne nennenswerten Höhepunkte und wird in erster Linie durch die Liebe der beiden zu der gemeinsamen Tochter zusammengehalten.
27. April 2021
Eine herrlich böse Geschichte: Eine Frau weiß, was sie will und schreckt vor keinem Mittel zurück, um an ihr Ziel zu gelangen. Dabei scheint Ann Ambros kein Wässerchen trüben zu können. Die etwas zerbrechlich wirkende, bezaubernde alte Dame ist die Liebenswürdigkeit in Person. Jedenfalls lernt man sie am Anfang des Romans so kennen.
Sätze, Sprache, das ganz große Kino: Anne von Canal auf der Reise nach Gotland und zu sich selbst
1. Dezember 2020
Anne von Canal lädt mich ein, mit ihr nach Gotland zu reisen. Bevor es losgeht, suche ich schnell nach ein paar Informationen und lese auf Wikipedia, dass die schwedische Insel in der Ostsee liegt und Heimat für 57.004 Einwohner ist. Dass sie außerdem für ihre sehr artenreiche Naturlandschaft berühmt ist. Na gut. Ich fühle mich für diese Reise also gut genug vorbereitet. Und ahne nicht im Entferntesten, was mich erwartet. Zuerst begegnen wir Pippi Langstrumpf. Schon für diese erste Begegnung hat sich die Reise gelohnt, denke ich, gewohnt, mich in ein bisschen Melancholie einzukuscheln, die das Aufzeigen von schönen Momenten aus der Kindheit zuweilen auszulösen vermag. Gleich darauf treffen wir den Geist des alten Ingmar Bergmann, und sofort will ich alle Ingmar Bergmann Filme wieder sehen. Das kann ja heiter werden. Ich mache es mir weiter auf meinem Sofa gemütlich.
10. November 2020
Ein Wunderwerk aus Japan. „Insel der verlorenen Erinnerungen“ erschien dort schon im Jahr 1994. Jetzt hat der Liebeskind Verlag eine deutsche Übersetzung von Sabine Mangold vorgelegt. Im Liebeskind Verlag mag man es gerne etwas düster, gerne auch Geschichten aus entlegenen Landstrichen, in denen die Einsamkeit beinahe selbst eine Hauptfigur ist. Warum nicht also eine Insel?
9. Oktober 2020
Ein wilder Abenteuerroman, mitreißend und zu Herzen gehend. Franny und Ennis, zwei Menschen in einer nicht näher benannten Zukunft, die meisten Tiere sind bereits ausgestorben. Es gibt noch Nutztiere und hier und da einzelne Exemplare seltener Tierarten. Der letzte Wolf starb in Gefangenschaft.
16. August 2020
„Unter dem Tagmond“ von Keri Hulme erschien 1984 in Neuseeland und wurde, dem S. Fischerverlag sei es gedankt, 1991 auf Deutsch herausgebracht. Damals las ich zum ersten Mal die Geschichte von Simon, Joe und Kerewin. Dunkel erinnere ich mich daran, dass ich es da schon mochte, sehr mochte, ich kann mich aber nicht mehr genau erinnern, warum. Da war etwas mit diesem Buch, es umgab eine Aura des Ungewöhnlichen. Es war auf jeden Fall dramatisch und geheimnisvoll, es ging darin um Menschen jenseits der Norm und um Gewalt. An einem Kind? Vielleicht. So ähnlich.
Show More
Share by: